SV ENGERN SCHMEIßT TITELVERTEIDIGER RAUS UND ZIEHT INS FINALE EIN
FOTOS/TEXT: ERNST SIEPMANN
Auetal. Es gibt Berichte, da klopft der Schreiber gerne Worte in die Tastatur, weil seine Mannschaft gut gespielt und auch gewonnen hat. Aber das Leben leistet sich so manche Niederlage. Da möchte man besagten Tag gern ausblenden. Ein weißer Bildschirm wäre dann die Folge, was Sie als Leser nicht erfreut. Was die Gefühlslage erklärt: Der Schreiber hier ist Stadionsprecher beim SC Auetal, dem aktuellen (Noch-) Kreisligagiganten. Tabellenführer, amtierender Kreispokalsieger, im Halbfinale gestern gegen den SV Engern. Und? Ausgeschieden im ganz wichtigen Pokalspiel, verdient mit 1:4 verloren. Da darf man dicke Glückwünsche den Enger’schen aussprechen, die eine tadellose zweite Halbzeit boten. Der Rückstand durch Felix Rauhut (18.) machte sie nicht wirr. Treffer von Michael Mantik (50.), Oliver Watermann (58.+75.) und Timo Zenker sorgten für einen solide Auswärtssieg. 4:1 Sieg in der Fremde! De Welt im Gänsedorf war gestern rosarot.
Bildergalerie (53 Bilder):
Der SV Engern ist gewiss der Club in Schaumburg mit dem schönsten Vereinsemblem. Das dörfliche Wappen ziert eine Gans, was den Verein verleitete, dies Tier mit einem brutalen Blick sowie kaputtem Fußball als Cartoon zu nehmen. Genial! Hätte der SV Engern im Elfmeterschießen gewonnen, hieße es „Gans im Glück“. Fast wie im Märchen. Doch gestern änderte das Federvieh den Status, schwang sich mit Adlerkräften auf und schickte den SC Auetal ins Trauertal.
Wie konnte das aus Auetaler Sicht passieren? Der SV Engern war doch deren Lieblingsgegner. Die letzte Niederlage lag siebeneinhalb Jahre zurück. In 14 Spielen gab’s nur Siege und ein paar wenig beachtete Unentschieden. Doch SV-Engern-Trainer Marco Gregor gilt als alter Fuchs. Die Formulierung klingt charmant. Ein Fuchs im Kreis der Gänsekicker! „Marco wird in der Halbzeitpause die richtigen Worte gefunden haben“, meinten die älteren Auetaler Spieler später beim Beruhigungstrunk. „Wir kennen ihn ja gut aus seinen vier Jahren bei uns. Er kann eine Mannschaft richtig heiß machen!“
Bildergalerie (50 Bilder):
So war es auch, denn nach dem Enger’schen Erfolg sah’s in der ersten halben Stunde gar nicht aus. Drei dicke Chancen boten sich Gastgeber SC Auetal, der schon zu Spielbeginn den Torschrei auf den Lippen hatte. Nach einer Flanke von Tim Neermann setzte Felix Rauhut den Ball um Haaresbreite neben das Tor (1.). Besser machte es der Allroundspieler in der 18 Minute. „Das Führungstor der Auetaler war für uns ärgerlich“, schilderte SVE-Torhüter Lennart Dieterich die Szene. „Bei einem Eckball köpfte Tim Vogt den Ball aus der Gefahrenzone. Aber mit artistischen Einlagen von Philip Dunkley und Tobias Feldmann kam der Ball direkt zu Felix Rauhut. Der traf aus Nahdistanz. Hier konnte ich nichts machen. Aber ich hatte mir den SC Auetal ein wenig stärker vorgestellt. Man guckt ja auf die Tabelle. Denkt dann, oh, Philip Dunkley, 25 Ligatore, da heißt es aufpassen. Doch unsere Abwehr mit Nico Luther, Paul Albrecht, Marvin Harting und Tim Vogt löste das souverän. Luther hat alles, was hoch hereinkam, sauber mit dem Kopf sauber geklärt.“

Oliver Watermann erzielt zwei Tore für den SV Engern.
Vielleicht wäre es anders gekommen, hätte Philip Dunkley das 2:0 markiert. Eine scharfe Flanke von Florian Meyer erreichte den Torjäger am ersten Pfosten, doch dessen Schuss zischte am Tor vorbei (30.). Anschließend wachte der SV Engern auf, dem einfiel, dass ja Halbfinale ist und man ja eigentlich gewinnen wolle. Paul Albrecht setzte ein erstes Ausrufezeichen, traf nur den Pfosten. Der SC Auetal klärte in höchster Not (44.).
SVE-Trainer Gregor musste in der Kabine die richtigen Worte gefunden haben. Denn adlerstark präsentierten sich die Gäste nun. Was für den VfL Bückeburg ein „Bubi“ Bremer ist, bedeutet für den SV Engern Michael Mantik. Im Gegensatz zu Bremer hat der Torjäger aus Engern im Laufe der Karriere etliche Vereinskabinen gesehen. Obwohl schon 36 Jahre jung, läuft er der Abwehr oft davon, so dass der Gegner nur den Gänseschwanz erblickt. Entschuldigung, die falsche Formulierung. Wir sind ja nicht beim Brehms Tierleben. Mantik jedenfalls setzte die folgenden Ausrufezeichen. Sein nächster Schuss zischte knapp über die Latte (46.). Dann passte es! Ein schneller Antritt, frei durch, schon war der Ausgleich eingetütet. Michael Mantik traf zum 1:1 (55.).
Der SV Engern verfügt über eine gesunde Mischung junger Kräfte und ein einiger Routiniers. Der Jahrgang 1987 hat für den SVE den höchsten Stellenwert. Auch Oliver Watermann feierte in jenem Jahr Geburtstag. Ein Einwurf, über dessen korrekte Ausführung beim SC Auetal im Anschluss viel gestritten wurde, leitete die Führung ein. „Ich nutze eine geniale Flanke von Denis Stapel“, berichtete Torschütze Olli Watermann. „Als ich den Ball auf den Kopf bekam, war ich mir sicher. Das wird gut, der geht rein. Nach der 2:1 Führung für uns hatten wir nicht das Gefühl, hier noch zu verlieren Wir standen sicher in der Abwehr und ließen nichts groß zu. Ich kann da nur ein Kompliment an meine Mannschaft machen!“ Über die Weihnachtstage dachte Oliver Watermann noch ans Karriereende jetzt im Sommer. „Aber es läuft derzeit gut. Sowohl im Team wie auch bei mir. Dem SV Engern habe ich auch für die nächste Saison zugesagt.“
„Bei meinem zweiten Tor spielte auch Glück eine Rolle. Aber die Chance war kämpferisch erlaufen. Ein langer Ball kommt vor das Tor, prallt von Torwart oder Verteidiger ab, springt mir genau aufs Schienbein und dann rein.“ 1:3 (76.). Der SC Auetal blies zwar noch mal zum Angriff, aber die „Kampfgänse“ ließen nichts anbrennen. Als alles schon gelaufen war, setze Timo Zenker dem Sieg das Sahnehäubchen auf. Sein Konter (1:4, 90.+3) trieb die mitgereisten Schlachtenbummler in Ekstase, stürzte den SC Auetal in die Tristesse.
„Aufs ganze Spiel gesehen war unser Sieg verdient“, zog Siegertrainer Marco Gregor das Fazit. „Die ersten 30 Minuten gingen an Auetal. Dann waren wir irgendwie drinne und hatten auch das Matchglück, was du brauchst. Ich denke an den Pressschlag, der ins Tor geht. Für uns hat es gepasst! Wir hatten auch am Ende ein paar Körner mehr als Auetal. Sicherlich ist der Sieg zu hoch ausgefallen. Aber das ist ja auch egal. Im Pokal geht es ja nur ums Weiterkommen. Da ist es unwichtig, ob du mit 1:0 gewinnst oder mit 28:27. Als Endspielgegner wünsche ich mir den FC Hevesen. Nichts gegen die wackeren Spieler des ETSV Haste. Aber gegen den FC Hevesen habe ich immer gewonnen, egal mit welcher Mannschaft.“
Dem SC Auetal bleibt nur der Gedanke seines Scheiterns und die Erinnerung an eine stattliche Kulisse. „Mehr Zuschauer als heute hatten wir erst zweimal an der Obersburg“, blickte SCA-Vorsitzender Dieter Gruppe zurück. „Vor sechs Jahren beim Relegationsspiel um den Aufstieg gegen Uetze. Dann ein Jahr später beim Pokalfinale hier gegen Engern.“ Auch die Schlachtenbummler des SV Engern sind nicht ohne. „Eigentlich hatten wir mit Bier ausreichend vorgesorgt“, schilderte Edeltraut Tegtmeier die Lage beim Catering. „Doch die vielen Zuschauer, speziell der Anhang vom SV Engern, waren trinkstärker als erwartet. Wir mussten während des Spiel Bier aus dem Supermarkt nachholen. Haben das aber lückenlos gemeistert, so dass kein Engpass aufkam.“ Freude an der Kasse, Freude beim SV Engern. Über Trauernde wollen wir nicht schreiben.
SC Auetal: Marco Großardt – Benedikt Friedrichs, Niklas Brecht, Tobias Feldmann, Marc Steinsiek – Florian Meyer, Moussa Guire (71. Jan-Frederik Meyer) – Marco Hauser (79. Julien Erdmann), Felix Rauhut (71. Lukas Herrmann), Philip Dunkley, Tim Neermann (84. Justin Andre) // Trainer: Thomas Reh
SV Engern: Lennart Dieterich – Marvin Harting, Paul Albrecht, Nico Luther, Tim Vogt (90. Hannes Riesner) – Mario Cimino (70. Fynn Flentge), Oliver Watermann – Mathias Krebs (46. Oliver Meinardus) – Michel Mantik, Timo Zenker, Denis Stapel // Trainer: Marco Gregor
Schiedsrichter: Tim Wieggrebe (TSV Algesdorf)
SR-Assistenten: Agha Bashar (TSV Ahnsen) + Afram Bashar (SV Nienstädt 09)
Tore: 1:0 Felix Rauhut (13.), 1:1 Michael Mantik (55.), 1:2 Oliver Watermann (58.), 1:3 Oliver Watermann (76.), 1:4 Timo Zenker (90.+3)
Zuschauer: 302